Geschichten von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit
Die Nacht,
In der das Fürchten wohnt,
Hat auch die Sterne
Und den Mond
Maschà Kaléko
Geschichten erzählen von Hoffnung, aber genauso auch von Hoffnungslosigkeit. In meiner Beratung begleite ich Menschen, die an entscheidenden Wendepunkten ihres Lebens stehen: etwa eine Frau mit Kinderwunsch, die zwischen Hoffen und Bangen lebt, oder eine Teamleitung, die plötzlich in Tränen ausbricht, weil sie den schleichenden Verfall von Qualität und Berufsethos im sozialen Bereich nicht länger ertragen kann. Menschen, die ihre Hoffnung langsam verlieren. Oder solche, die keine Hoffnung mehr haben, weil das, was sie befürchtet haben, eingetreten ist. Aber wir hoffen auch auf gutes Wetter und auf einen erfolgreichen Projektabschluss.
In den letzten Monaten habe ich mich intensiv der Zuversicht und Hoffnung gewidmet. Unterschiedliche Perspektiven – poetisch, klug und menschlich, ohne belehrend zu wirken – haben mich dabei inspiriert. Der Historiker Blom schreibt von kluger Hoffnung, der Philosoph Byung-Chul Han von aktiver Hoffnung, und Gabriele von Arnim spricht ihre Enkelkinder an, die sich tiefsinnig mit dem Leben auseinandersetzen, und schreibt über die Zuversicht. Dabei taucht immer wieder ein Wort auf, das auch in meinem Leben eine zentrale Rolle spielt – und vielleicht auch in deinem: das Trotzdem.
Wir scheitern, erleben Unglück – und trotzdem stehen wir wieder auf. Wir putzen unsere Zähne, gehen einkaufen, telefonieren, arbeiten, probieren es noch einmal. Doch der Ausgangspunkt all dieser Überlegungen bleibt düster. Die Klimakrise, das Artensterben, Autokraten, Kriege und instabile Demokratien zerstören eine positive Weltbetrachtung oder treiben manche in den Zynismus. Psychologen und Psychologinnen berichten immer häufiger von Fällen von Solastalgie, einem emotionalen Leid durch den Verlust vertrauter Umwelt, sowie von Klimadepression und Eco-Anxiety, die durch die ständige Konfrontation mit den Folgen des Klimawandels ausgelöst werden.
Der Planet kann froh sein, wenn er die Menschheit abgeschüttelt hat", denkt manch einer. Manchmal fühle ich mich wie ein Kind, das die Augen und Ohren schließen möchte und laut "lalala" singt, um die bedrohliche Realität auszublenden.
Das Unbequeme. Die Fragilität.
Die Wissenschaft ist sich einig: Wir rasen mit 180 km/h auf eine Mauer zu. Viele spüren, dass (eigentlich) ein "Weiter so" nicht möglich ist. Doch statt zu bremsen und neue Wege zu gehen, bleibt der notwendige Reflex aus. Der Mensch, ein Gewohnheitstier, verdrängt das Unbequeme und kann kognitive Dissonanzen schwer aushalten. Selbst umfassendes Wissen scheint oft wirkungslos. Lieber ein Feindbild aufbauen.
Die großen Systeme – Religion, Kommunismus, Faschismus, Kapitalismus – haben keine solide, tragfähige Hoffnung geschaffen. Stattdessen fördern sie entweder Grausamkeit oder Oberflächlichkeit und einen endlosen Konsum. Bedürfnisbefriedigung rund um die Uhr – der Mensch wird auf seine Rolle als Konsument reduziert. Ich sehe das nicht nur bei anderen, sondern auch bei mir selbst.
Konsumiere ich nicht auch diese feingeistlichen Bücher, ohne wirklich etwas Grundlegendes zu ändern? Ändert sich mein Verhalten, nachdem ich ein Buch gelesen und ins Regal gestellt habe? Nein.
Und dabei finde ich die Zeilen, die ein australischer Umweltminister gesagt hat, so schön: Wir haben diese Erde nicht von unseren Eltern geerbt, um mit ihr zu machen, was wir wollen, wir haben sie von unseren Kindern geliehen."
Jedoch bemühe ich mich, nicht weltfremd zu sein. Unsere Wohlstandsgesellschaft hat zweifellos auch Gutes hervorgebracht: ein Sozialstaat, der trotz Unvollkommenheiten existiert, oder die Tatsache, dass Gleichberechtigung inzwischen als zentraler Wert anerkannt ist. Auch das muss bezahlt werden können.
Während soziale Fortschritte Geld kosten, zeigt sich gleichzeitig eine immer größere Ungleichheit. Überreiche verdienen heute oft das 300-Fache dessen, was ihre Angestellten bekommen – früher war es das 30-Fache. Ein Buch, das mir einfällt, ist Seinetwegen von der Schweizer Autorin Zora del Buono. Sie erzählt darin vom tragischen Autounfall ihres Vaters, eines Arztes, der 1963 ums Leben kam, als Zora noch acht Monate alt war. Der Tod ihres Vaters hinterließ eine große Leerstelle in der Familie. Nebenbei nennt sie Zahlen, die bei mir hängen geblieben sind: Ihr Vater verdiente 2200 Franken als Arzt, der Unfallverursacher, zunächst nur als anonymes Objekt wahrgenommen, später als Mensch sichtbar, 1250 Franken als Angestellter.
Wachstum und Grenzen
Wachstum ist ein Begriff, der in der Wirtschaft ständig präsent ist. Doch die Vorstellung von unendlichem Wachstum scheint in der Realität nirgendwo Platz zu finden – weder in der Natur, noch in den Systemen, die uns umgeben, und auch nicht in uns selbst. Ein anschauliches Beispiel dafür sind unsere Mitochondrien, die als „Kraftwerke“ unserer Zellen bezeichnet werden. Diese winzigen Organellen sind dafür verantwortlich, Energie zu produzieren, die unsere Zellen für ihre Funktionen benötigen. Nur durch sie sind wir lebendig. Sie sind in nahezu jedem Zelltyp unseres Körpers zu finden. Doch im Laufe des Lebens nimmt sowohl die Zahl als auch die Funktion der Mitochondrien ab. Mit etwa 50 Jahren verfügen wir nur noch über rund 75 % der Mitochondrien, die wir in jungen Jahren hatten. Diese Veränderung ist ein Spiegelbild eines grundlegenden Prinzips des Lebens: Alles, was wächst, kennt irgendwann auch sein Ende. Der Körper ist zerbrechlich. Das "mehr" ist nicht in der Natur des Menschen. Jedoch können wir unsere Mitochondrien stärken, mit frischen Lebensmitteln (unverarbeitet), wenig Blaulicht am Abend (also elektronisches Licht), genügend Schlaf und regelmäßiger Bewegung. Wenn wir schon ein paar Dinge machen würden, wäre das auch ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.
Ich merke, dass ich mal wieder vom Thema abschweife. Aber vielleicht ist genau das Teil des Problems: die Fülle, die Verstrickungen, die Ungleichgewichte, die uns überall begegnen und die schwer zu fassen sind.
Ein Blick auf das Transzendente
Doch ich möchte dich, liebe Leserin – vermutlich eine Frau, die mit Yoga ihrem Körper und ihrer Seele etwas Gutes tun möchte – nicht ohne einen letzten Blick auf das Transzendente und die Hoffnung verabschieden. Einen Blogartikel mit Hoffnung zu beenden mag vielleicht naiv wirken, oder, wie wir in Bayern sagen würden, „ah so a Schmarrn“. Und doch kann ich nicht anders – will es nicht anders.
Denn Hoffnung ist es, die uns verbindet, die uns trotz aller Zweifel weitermachen lässt. Sie mag klein wirken, manchmal gar unrealistisch, und doch birgt sie eine Kraft, die uns über das Hier und Jetzt hinausblicken lässt – nicht nur in unser eigenes Leben, sondern darüber hinaus. Mir kommen diese Zeilen aus einem Buch von Blom in den Sinn, die mich überraschend ergriffen haben für einen kurzen Moment. Er schlägt ein kurzes Experiment vor: Nimm dir ein Instrument und spiele es frei, ohne dass dir jemand reinredet. Du kannst mit dem Instrument machen, was du willst. Wahrscheinlich würden die meisten gelangweilt aufhören. Eine Freiheit, die nicht unterstützt wird von der Technik, von Erfahrung, handwerklichen Fähigkeiten, jahrelanger Routine und, ja, einer Disziplin, ist auf Dauer nicht von Bedeutung. Eine Meisterin auf ihrem Instrument kann entspannt und ohne auch nur nachzudenken auf ihre Partner und auf die Situation, den Saal, die Atmosphäre, die eigene Stimmung und die eigenen Ideen reagieren und sie ausdrücken, improvisieren und einer plötzlichen Eingebung folgen, mit vollem Vertrauen auf ihren Körper, ihre Stimme, ihre Meisterschaft und den Rhythmus ihres Atems. Mein Mann spielt Klavier und ich beobachte, was es an Übung und Einsatz benötigt, um schöne Klänge zum Tönen zu bringen. Ich weiß nicht genau, woher meine Ergriffenheit kam. Vielleicht ist es die Liebe, die beharrliche, langsame Liebe, die mich getroffen hat. Oder beschreiben sie manche Yoga-Erfahrungen von mir (in-mir). Kann man Hoffnung und Zuversicht wie ein Muskel üben?
Manche behaupten das jedenfalls, wie z. B. die Schriftstellerin Thea Dorn.
Die Hoffnung über den Tod hinaus
Byung-Chul Han zitiert das etymologische Wörterbuch von Friedrich Kluge, das den Ursprung des Wortes „Hoffen“ beschreibt: Es bedeutet, sich nach vorne zu beugen, um weiter und genauer zu sehen. Für Han orientiert sich Hoffnung an der Geburt – am In-die-Welt-Kommen. Hoffnung geht jedoch noch weiter: Sie hofft über den Tod hinaus.
Der Historiker Philipp Blom verweist auf Denis Diderot, der in einem Brief an seine Seelenfreundin über Hoffnung und Tod schreibt: „Lassen Sie mir diese Lieblingsidee; sie ist mir süß; sie sichert mir die Ewigkeit zu Ihnen und mit Ihnen. Moleküle, die einander nach langer Zeit wiederfinden, Materie, die eine Art von Erinnerung zu haben scheint.“
Diese Vorstellung gefällt mir sehr: Moleküle, die Erinnerungen tragen – die abspeichern, was ein Leben war. War es ein Leben, das geliebt hat, tätig war, gestaltet hat? Ein verwobenes Leben? Und dann das Wichtigste: Liebgewonnene Menschen wiederfinden.
Doch was bedeuten all diese schönen Sätze? Jetzt bitte mal Tacheles: Die Antwort ist nicht greifbar. Sie ist ungewiss. Was sie sicherlich nicht ist: einfach ein "Weiter so". Es bedarf vielleicht Fantasie, Vertrauen, Träumen, neue Geschichten erzählen, Verantwortung, sinnlicher Intelligenz, Bereitschaft zur Veränderung, Klugheit und Gemeinsinn. Räume für Beziehungspflege und nicht für Kontaktpflege. Zu banal? Phrasen?
Der Soziologe Rosa äußerte sich in einem Interview zum Thema Verzicht. Seine Antwort überrascht oder auch nicht: Er bezweifelt, dass Verzicht gesellschaftlich bestehen kann. Wichtiger sei es, eine Lebensform zu finden, die nach dem Gelingen fragt.
Dabei denke ich an eine Übung aus der Trauerbegleitung: Sie lädt dazu ein, eine Grabrede über sich selbst zu schreiben. Welche Worte würden wir für uns Menschen (Homo sapiens) wählen? Welche Spuren wollen wir hinterlassen, und welche Werte haben uns geleitet? Welche Anekdoten sollen erzählt werden?
Meine Gedanken
„Hat jemand ein Riechsalz dabei?“ Ein Satz aus einem Film, der mich und meine Kinobegleiterinnen zum Lachen gebracht hat. Ein unterhaltsamer Film mit einem offenen Blick auf unsere gesellschaftlichen Themen.
Einige Tage zuvor las ich in dem Buch von Joachim Meyerhoff. Er schreibt Anekdoten über sein Leben als Schauspieler im Theater und über seine Mutter. Ein 55-jähriger Schauspieler zieht für mehrere Wochen bei seiner Mutter auf das norddeutsche Land. Es werden besondere Wochen, in denen er durch seine Mutter aus einer Lebenskrise findet. Bei einer Szene musste ich so lachen, während ich im Bett las. Ein Schauspielkollege konnte den Text auf der Bühne nicht mehr – Blackout. Meyerhoff als Schauspielkollege half, die Situation zu retten: die Syphlose, das Publikum, und es wurde auch eine Pause eingelegt. Traubenzucker, seine Beine wurden hochgelegt, Eisbeutel und Kniebeugen. Nichts half. Am Schluss las der Schauspieler aus dem Skript. Die Situation war so bizarr, tragisch und doch so lustig.
Das macht mir Hoffnung. Ohne es erklären zu müssen ... genau das macht mir Hoffnung: Menschen, die ihren liebevollen Blick auf das Leben nicht oder nicht ganz verlieren.
"Lasten und Pflichten beim Kampf gegen den Klimawandel sollten nach Ansicht des Deutschen Ethikrats gerechter verteilt werden. "Eine moralische Kritik an Entscheidungen im Bereich der privaten Lebensführung und des Konsums ist kein Ersatz für notwendige politische Maßnahmen"
Das Lied „Der blaue Planet“ von Karat ist ein zeitloses Friedenslied, das die Ängste und Hoffnungen einer ganzen Generation einfängt. Entstanden in den 1980er-Jahren, während der Hochphase des Kalten Krieges, beschreibt es eindrücklich die Sorgen vor einem möglichen atomaren Konflikt und die Verletzlichkeit unserer Erde – des blauen Planeten, den wir alle teilen.
Mit poetischen Bildern und einer eindringlichen Melodie thematisiert das Lied die Zerstörungskraft menschlicher Konflikte, aber auch die Sehnsucht nach Frieden und Harmonie. Es mahnt zur Besinnung und erinnert daran, wie kostbar unser gemeinsames Zuhause ist.
Wie Hoffnung entsteht:
Quellen:
Byung-Chul Han: Der Geist der Hoffnung: Wider die Gesellschaft der Angst, Ullstein Verlag
Gabriele von Arnim: Liebe Enkel oder Die Kunst der Zuversicht, Kjona Verlag
Philipp Blom: Hoffnung – Über ein kluges Verhältnis zur Welt, Hanser Verlag
Kapitalismus: Interview mit Soziologe Hartmut Rosa | Tages-Anzeiger
www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/ethikrat-klimawandel-100.html
Comments