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Denn Liebe muss sein

Aktualisiert: 14. Apr. 2023

Marina und ich möchten gerne ein Buch-Update machen und würden uns freuen, wenn du uns ein wenig unterstützen würdest. Ich stelle einige alte und neue Textauszüge vor und bin gespannt, welche Zeilen dich beim Lesen ansprechen. Auch möchte ich eine schöne Überraschung mit dir teilen. Das Yogamagazin Schweiz hat eine Rezension über das Buch "Haus der Gefühle" geschrieben.

Meine Gedanken...


Ich muss zugeben, dass ich die Fragilität und Zerbrechlichkeit des Lebens nicht

selten als eine Ungerechtigkeit und einen persönlichen Angriff auf meine Person

erlebe, obwohl ich weiss, dass das Abschied nehmen von Menschen, Gewohnheiten, Lebensplänen und Orten zur menschlichen Existenz gehört. Allein das Verstehen und Wissen reicht anscheinend nicht aus, um meine Gefühlswelt zu besänftigen. Das Gefühl von Kränkung ist nicht einfach zu verdrängen. Doch was hilft in solchen Lebensphasen?

Für mich ist es, die Kunst zu entwickeln, mit meinen Ängsten in Beziehung zu treten

und sie nicht zu schnell mit dem Wort «Loslassen» zu überdecken.


Die Fähigkeit des Loslassens wird inflationär verbreitet, wenn es um das Thema

Verletzlichkeit geht. Hier möchte ich ein kleines Fragezeichen setzen. Ich möchte

vielmehr einen Weg vorstellen, der das Zusammenwirken von Bewahren wollen und

Zulassen als Grundmelodie des Lebens befürwortet. Loslassen ist für mich eine

Philosophie des Abschieds, die das Erleben von Verwundbarkeit nicht ausschliesst

und auch nicht versucht, sie mit Worthülsen zu verkleiden. Es ist eine Haltung, die

das Leben versucht, ernst zu nehmen, indem sie die Fähigkeit des Leidens auch als

Wundheiler ins Leben einwebt. Die Philosophin Ina Schmidt plädiert in ihrem Buch

für eine Ethik der Verletzlichkeit, die einen zuversichtlichen Blick auf die Welt wirft

und dabei die Gebrechlichkeit als Teil des Lebens einschliesst. In ihrem Buch führt

sie die Vielfalt von menschlichen Erfahrungen vor Augen. Ihre feinsinnigen

Denkansätze sprechen mich an, sie beeinflussten meine Herangehensweise

an dieses Buch. Andere Impulsgeber*innen waren: Viktor Frankl (Gründer der Logopädie), Gabriele von Arnim (Schriftstellerin), meine Oma, Freunde, Andreas Weber (Naturphilosoph), Eva Illouz (Soziologin)... und natürlich das Leben.


Ich wollte kein kompliziertes Buch schreiben. Ich wollte ein Buch schreiben, das man sich immer wieder zu Gemüte führen kann. Die Begegnung mit dem Buch darf sich so anfühlen, als würde man eine gute Freundin/einen guten Freund treffen, die/der stets ein offenes Ohr für einen hat. In dem Buch sind persönliche und fremde Geschichten eingewoben, die einem zur Seite stehen können, wenn das Leben einen sehr beansprucht. Es ist aber auch ein Buch, das uns heiter stimmen kann, weil es daran erinnert, dass die Kraft der Verbundenheit nicht als Produkt zu erwerben ist, sondern zu entdecken ist. Mich beschleicht immer mehr das Gefühl, dass die Kraft der Verbundenheit uns alle etwas angeht und nicht ausschliesslich auf den einzelnen Menschen übertragen werden sollte.


Ich möchte gerne einen kleinen Schwenk machen und von Julia berichten. Vor vielen Jahren teilten wir uns ein Zimmer im Krankenhaus. Als ich von meiner Operation aufwachte, öffnete ich meine Augen und erblickte eine ältere Frau, die mich anstarrte. Mein erster Gedanke war: " So, jetzt muss ich auch noch das Zimmer mit einer dementen Frau teilen." Ich war davon überzeugt, dass das Leben es überhaupt nicht gut mit mir meint. Am nächsten Tag begannen wir, miteinander zu reden. Sie erzählte von ihrer Kindheit, von den Kriegsjahren, von der Zeit nach dem Krieg, von ihrer Familie, von ihrem skurrilen Schwiegersohn und von ihrem verstorbenen Sohn. Sie hatte Witz und Schalk, sodass ich oft herzhaft lachen musste. Sie erzählte mir, dass die Kriegszeiten einfach nur schrecklich waren. Das einzige positive an dieser Zeit war, dass sie sich einen jungen Mann angeln konnte, weil es gleichaltrige Männer nicht mehr gab. Sie hatte einen recht schwarzen Humor. Als ich entlassen wurde, schickte sie meinen Mann zum Sekt kaufen und sagte uns: "Jeder Abschied muss gebührend gefeiert werden." Wir stiessen an. Umarmten uns zum Abschied. Julia hatte eine schwere Lungenkrankheit. Sie wusste, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Als wir nach Hause fuhren, ging es mir nicht mehr so gut. Der rhythmische Ablauf im Krankenhaus fehlte mir. Auch Julia und ihre Geschichten fehlten mir. Der Übergang war sehr schwierig für mich. Zu Hause angekommen klingelte das Telefon. Ich ging ran. Eine ältere Frau fragte mich: "Bist du gut nach Hause gekommen?" Es war Julia.


Auch meine Mama erteilt mir stets den Auftrag, mich zu melden, sobald wir wieder gut in der Schweiz angekommen sind. Sie sagt dann immer: "Melde dich gleich, ich möchte wissen, ob ihr gut nach Hause gekommen seid." Vielleicht ist diese einfache Frage "Bist du gut nach Hause gekommen?" die einfachste Erklärung für die Liebe.


Obwohl ich Julia nicht in meinem Buch erwähnt habe, fliesst sie ein. Weisst du, was ich meine?


Nun wieder zurück zum Buch...


Bild: Marina Lussi


Textauszüge


Szenentor - Liebe (neu)

Doch gleichzeitig beschlich mich immer mehr das Gefühl, dass ich mich andauernd als Mängelwesen betrachte, das stets unter dem Druck stand, an sich arbeiten zu müssen. Vor einigen Monaten las ich das Buch «Yoga» von Emmanuell Carrèr. Dort beschäftigt er sich auch mit der Frage, ob es ein aufgeblasenes Streben nach Weisheit gibt. Er zitierte

den feinen Satz von Simone Weil: Letztlich gibt es ziemlich wenig Leute, denen klar

ist, dass es noch andere gibt. Carrèr macht die Erkenntnis, dass eine Meditation, die

zwischen ihm und ihm bleibt, zu nichts nütze ist.


Szenentor - Erkennen (neu)

Gleichzeitig mache ich mir immer mehr Gedanken darüber, wie sich unsere Kommunikation verändert hat. Es treten immer mehr Begriffe wie Funktionieren, Herstellung und Optimierung in Erscheinung, die ihren Ursprung in der Technik haben. Sie werden meistens

unkritisch in die Alltagssprache integriert und wirken sich auf unser Denken und

Fühlen aus. Ist es tatsächlich unser Anliegen, wieder gut zu funktionieren oder geht

es nicht vor allem darum, sich z.B. empfangen und geborgen zu fühlen, Vertrauen

wiederzufinden oder den Boden unter den Füssen zu spüren.


Szenentor - Vertrauen (neu)

Ich liebe die Düfte von Bienenwachs und Leinöl, die sich dann im Raum breitmachen. Dabei beobachte ich ihn gerne, wie er gründlich und voller Hingabe dieser Tätigkeit nachgeht. Was ich aber besonders an dieser Alltagshandlung schätze, ist der Leitgedanke, der sich darin spiegelt. Ich weiss, dass es meinem Mann ein Anliegen ist, Alltagsgegenstände zu bewahren.



Szenentor - Hoffnung (neu)

Mein Leben darf anders sein, wie ich es mir vorgestellt habe. Das ist ein Satz, den

der Geigenbauer Martin Schleske in einem Interview sagte. Er hat mich tief bewegt,

weil er etwas Vertrautes hervorbrachte. Ja, auch mein Leben ist anders verlaufen,

wie ich es mir vorgestellt habe.


Szenentor - Liebe (neu)

Am Ende des Films spricht er diese leisen Zeilen: Die Schönheit einer Sache erscheint erst viel später als Erinnerung. Schön ist nicht der augenblickliche Glanz, der unmittelbare Reiz, sondern das stille Nachleuchten. Die Schönheit ist ein Nachzügler, erst nachträglich enthüllt sie ihre duftende Essenz.

Byung-Chul Han plädiert für eine Lebensweise, die den Zwischenräumen mehr

Bedeutung geben möchte.


Szenentor - Lebendigkeit

Für ein loderndes Feuer in uns braucht es die Verletzlichkeit und das Wissen darum, dass diese uns lebendig macht. Tränen, feuchte Augen, Gänsehaut, Herzklopfen, Wallungen, Schwitzen, Röte im Gesicht... Sich mit Leib und Seele berühren lassen und sich für all die Gefühle nicht schämen müssen, sondern aufstehen, mit den Füßen stampfen, lachen, um das Feuer tanzen, dabei leuchten ... und singen...


Auszüge aus dem Märchen:


Königin begegnet der Wölfin in der Waldlichtung

Die Wölfin schmunzelte: „Aha, und jetzt soll ich dir sagen, wer du bist? Du Liebe, wenn das so einfach wäre ... Ich erlaube dir, neben mir Platz zu nehmen.“ Solvej setzte sich auf den Laubboden. „Ruhe dich aus“, sagte die Wölfin, „bleibestill und tanke Neumond-Energie. Ende und Anfang sind sich in Neumondnächten nah.


Königin Sovey beschloss wieder heimzukehren

Aus einer Mauerritze auf der Höhe ihres Herzens war eine Blume gewachsen. Leichte Windzüge brachten die Blüte in Bewegung, bis sich die Blätter zu lösen begannen und wiegend zu Bodensegelten. Wundervoll – wuchs eine neue Blume an der gleichen Stelle. Das Zauberspiel des Lebens wiederholte sich immerzu.


Königin Sovey betritt das Haus der Gefühle

Endlich konnte sie sich im Haus umsehen. Es bestand aus unzähligen kleinen und großen Räumen. Auch von innen hatte jedes Zimmer eine anders farbige Haut. Das erste Zimmer war das Größte von allen. Sie fragte sich, warum dieses Zimmer im Vergleich zu den anderen wohl viel größer war?



Zum Abschluss stelle ich mir folgende Frage: Sollte Julia in meinem Buch erwähnt werden? Was denkst du?




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