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Urvertrauen, Vertrauen und Selbstvertrauen

In diesem Blogartikel habe ich Gedanken und Impulse zusammengefasst, die sich mit dem Thema Vertrauen beschäftigen.


Engele, Engele flieg...




Bevor du diesen Beitrag liest, möchte ich dich dazu einladen, dir einen Moment Zeit zu nehmen und über die Grundhaltung des Vertrauens nachzudenken. Was kommt dir spontan in den Sinn?


In diesem Blogbeitrag beginne ich mit Erinnerungen aus meiner Kindheit. Ich liebte es, wenn mein Papa mit mir herumtollte und mit mir Spässe machte. Er warf mich in die Luft und fing mich lachend auf. Ich lachte nicht minder. Oder ich ging mit meinen Eltern spazieren. Während des gemeinsamen Spaziergangs spielten sie mit mir "Engele, Engele flieg". Wahrscheinlich geschah dies vor allem, um mich bei Laune zu halten. Sie hielten mich an der Hand, zogen mich mit ihrer Körperkraft nach oben, beim Wort "Flieg" verloren meine Füße den Kontakt zum Boden, ich flog Richtung Himmel, gehalten von meinen Eltern. Auch heute berührt es mich sehr, wenn ich solche Szenen zwischen Kindern und ihren Eltern sehe. Kinder, die sich einfach fallen lassen... in die Arme, gegen die Schulter oder in den Schoß. Eine andere Art von Stimmigkeit erfuhr ich an sonntäglichen Nachmittagen. Ich erinnere mich daran, dass ich meinen Papa, der auf dem Sofa lag, wie eine Skulptur verändern konnte. Ich winkelte seine Beine an, brachte sie in Form und erbaute mir nach meinen Vorstellungen ein Nest. Die Kuhle wurde dann mit Decke und Kissen und einem wohlverdienten Schokoladenriegel ausgestattet. Zufrieden und aufgehoben fühlte ich mich in meinem kleinen Wirkungsraum. Nach getaner Arbeit und mit vollem Bauch schlief ich oft im Wohlfühlnest ein. Körperkontakt inklusive. Schnarchender Papa nicht selten. Störte mich aber nicht, denn ich fühlte mich pudelwohl.


Aber wo Vertrauen wächst, ist natürlich das Misstrauen nicht weit weg. Ich entsinne mich, dass meine Mama mir immer wieder eingebläut hat, niemals in ein fremdes Auto zu steigen.

Unser System ist mit beiden Polen "Vertrauen und Misstrauen" ausgestattet. Sie beeinflussen die menschliche Existenz: Verhalten, Beziehungen, Kommunikation, Gefühle und Handlungen. Diese gegensätzlichen Pole haben auch die Aufgabe, die Komplexität des Lebens zu vereinfachen und zu regulieren. Wie anstrengend wäre das Leben, wenn wir alles hinterfragen bzw. nicht hinterfragen würden. Wir steigen in den Zug und vertrauen darauf, dass die Technik funktioniert und der Fahrer seine Aufgabe im Griff hat. Ebenso kann es in manchen Gegenden vonnöten sein, keine Wertgegenstände bei sich zu haben.

Das Pendel zwischen Vertrauen und Misstrauen schlägt hin und her. Wichtig ist nur, ob wir die richtige Balance finden.


Welche Erinnerungen haben dich geprägt?




Warum unser Fürsorgesystem unser Vertrauen stärken kann


Sobald wir lernen uns zu vertrauen, fangen wir an zu leben

Goethe


Unser Gehirn und unser übriger Körper haben von Geburt an die die Fähigkeit, Fürsorge zu geben und zu empfangen. Das gehört zu unserem genetischen Erbe. Unser Überleben hängt nicht nur vom Kampf-oder Flucht - Instinkt, sondern auch vom Fürsorge-und-Freundlichkeits-Instinkt ab. Wenn sie bedroht werden

oder unter Stress sind, können Tiere, die gut für ihre Jungen sorgen, ihre Gene meist erfolgreicher an die nächste Generation weitergeben, was bedeutet, dass fürsorgliches Verhalten die Anpassungsfähigkeit fördert. Aus diesem Grund werden alle Säugetiere mit einem Zuneigungssystem geboren.


Diese Fähigkeit schenkt uns die Möglichkeit, auch freundlich und beruhigend mit uns selbst umzugehen und positiven Einfluss auf das Gehirn zu nehmen. Wir verändern nicht nur unser Denken, sondern auch unsere Körpergefühle. Die Bedeutung des Selbstfürsorgesystems und die Pflege dessen beeinflusst unsere Zugewandtheit ins Leben.


Es benötigt unser Zulassen, dass wir ein eigenes Leben haben.


Grundvertrauen und Urvertrauen





Die Psychologin Verena Kast unterscheidet in ihrem Buch zwischen Grundvertrauen (Stufenmodell nach Psychoanalytiker Erik H. Erikson) und archetypischem Vertrauen (Urvertrauen). Grundvertrauen entwickeln wir als Babys und Kleinkinder in der Beziehung zu unseren Bezugspersonen. Wenn wir uns "Gesehen fühlen" und uns auf die Menschen verlassen können, die sich um uns kümmern, entwickeln wir eine Zuversicht, die uns im Erwachsenenalter helfen wird, den Mut zu haben, uns unseren Ängsten zu stellen und Probleme anzugehen. Das erlernte Vertrauen wird später auf andere Menschen und Lebensräume übertragen.


Nun ist nicht jedem Kind diese Art von liebevoller und verbindlicher Begleitung gegönnt. Jetzt könnte man als Betroffener die Schultern hängen lassen und sich im Trübsal verstecken. "Es hat eh keinen Sinn, ich bin einsam und ich bin es nicht wert." Oder man strengt sich massiv im Leben an. Kämpft um die so gewünschte Anerkennung und buhlt unaufhörlich um das Gefühl des Dazugehörens. Eine gute Nachricht ist, dass die eigene Lebensunsicherheit durchbrochen werden kann.

Eine sichere Bindung kann nachträglich erworben werden, indem wir vertrauenswürdige Beziehungserfahrungen im späteren Leben machen. Andere Menschen bringen uns Vertrauen entgegen und wir schenken Vertrauen zurück. Dadurch machen wir neue und positive Erfahrungen, die uns darin bestärken, unser Vertrauensfeld auszuweiten. Dies kann zum Beispiel auch innerhalb einer Psychotherapie geschehen.


Die Unterscheidung zwischen Urvertrauen und Vertrauen wird auch von anderen Fachleuten unterstützt, die sich auf das Thema spezialisiert haben.

Im Podcast "Frauenstimmen" sprach die Wirtschaftspsychologin Eva Schulte-Austum über eine Studie, die hervorbrachte, dass das Urvertrauen zu 20 - 30 % angeboren sein würde. Ich finde, dass sich diese Zahlen gar nicht so schlecht anhören. Auch der Arzt Theodor Petzold bezieht sich in seinem Buch über das Vertrauen auf Antonovsky, einen israelisch-amerikanischen Soziologen und Professor der Soziologie. Antonovsky war der Ansicht, dass unser Urvertrauen im Laufe der Evolution entstanden und somit vermutlich biologisch-genetisch verankertes Gefühl ist, dass im Lebendigen

selbst, in der Teilhabe und Hingabe an das Leben zum Ausdruck kommt: im

Atmen, in der Bewegung, im Suchen des Säuglings und in seiner Hinwendung

zur Mutterbrust, in seinem Rufen nach der Mutter…

Urvertrauen ist als andauerndes Potential angeboren – dem Leben andauernd

innewohnend. Es braucht nicht erworben werden – es ist dem Leben implizit –

evolutionär gebildet. Es kann allerdings wie auch andere genetische Aktivitäten

an oder ausgeschaltet werden.


Es scheint, dass wir mit einem guten Fundament ausgerüstet sind, welches mit einem Lebensgefühl von Lebendigsein und Hoffnung verbunden ist. Nur brauchen wir Unterstützer:innen, vor allem im Kindesalter, die das mitgebrachte Geschenk des Urvertrauens würdigen und eine stimmige Antwort darauf geben. Das bedeutet nicht, dass alle Bedürfnisse erfüllt werden müssen, aber dass sie wahrgenommen werden.


Sowohl das Vertrauen in die Familie als auch die eigene Wirksamkeit in der Welt sind wichtig zum Überleben und Leben. Es ist von Bedeutung, dass wir uns dem Vertrauten wie auch dem Fremden öffnen, denn so können wir eine stabile Persönlichkeit entwickeln. Nur Eingebundensein in einer vertrauten und auf uns abgestimmten Welt wäre doch sehr langweilig und eng. Ebenso hätte es zur Folge, dass das Leben kaum Lernerfahrungen für uns bereit halten würde. Vor vielen Jahren teilte ich ein Krankenhauszimmer mit einer älteren Dame. Julia hieß sie. Julia teilte mit mir ihre Familiengeschichte, die mich auf eine besondere Art tröstete. Komischerweise waren es Menschen, die ich nicht kannte.



Märchenwelt


Das Urvertrauen und das Vertrauen finden wir auch in der Märchenwelt wieder. Die Märchenheldin/der Märchenheld befindet sich in einer schwierigen Situation. Es scheint, dass es keine Lösung für das Proble